Allgemein

Viele fragen sich, warum Fiat nicht schon viel früher auf diese Idee gekommen ist. Schließlich ist die „Knutschkugel“, wie der kleine 500 von seinen – meist weiblichen – Fans genannt wird, ein so hochemotionales Auto, was passt da im Sinne von Urban Lifestyle besser hinein als ein leiser und emissionsfreier Elektroantrieb? Doch in Sachen E-Mobilität und Elektrifizierung tat sich der FCA-Konzern (Fiat Chrysler Automobiles) bislang schwer, fährt der Konkurrenz um einige Jahre hinterher.

Aber spät ist nicht zu spät. „Wir kommen mit dem neuen Fiat 500 genau zum richtigen Zeitpunkt“, verteidigt FCA-Europa-Chef Luca Napolitano die Kritik, „denn jetzt legt die Elektromobilität deutlich an Tempo zu.“ Erst recht, wenn so niedliche Stromer wie der 500 einen zum Ein- oder Umstieg verführen.

Design

Der „neue 500“, wie Fiat seine jüngste Schöpfung offiziell nennt, gilt als 3. Generation und ist eine komplette Neukonstruktion. Neue Architektur, neue Karosserie, neuer Antrieb. Auch wenn man auf den ersten Blick denkt: Was ist an der Karosserie denn neu? Antwort: alles. „Wir haben den 500 bewusst evolutionär weiterentwickelt“, sagt Designchef Klaus Busse. Schließlich ist dieses Modell mit seinem knuffigen Retrostyling ein Mega-Erfolg. Den will man nicht gefährden. Rund 190.000 Einheiten werden noch immer pro Jahr verkauft. Bei uns in Deutschland ist der 500 in der Zulassungsstatistik teils Spitzenreiter in seinem Segment.

Am einfachsten erkennt man den Neuen an seinen originellen LED-Scheinwerfern. Sie werden von der durchlaufenden Fuge der Motorhaube durchschnitten. Ein Novum in der Branche. Außerdem thront am Bug jetzt eine dicke „500“, wo zuvor das Fiat-Logo war. Insgesamt wuchs der kleine Italiener um einige Zentimeter in Länge und Breite und steht auf seinen größeren 17-Zoll-Rädern satter auf der Straße. Die Proportionen wirken stimmig.

Bei so viel individuellen Details sind natürlich die Erwartungen an den Innenraum entsprechend groß. Elektrisch öffnen die Türen. Auch wer aussteigen will, braucht innen auf der Türverkleidung nur einen kleinen Taster zu drücken. Schwupp, die Tür springt auf. Wie fast überall in den heutigen neuen Modellen dominiert im Cockpit ein großer Bildschirm in der Armaturenbrettmitte. Beim 500er ist das nicht anders. Darunter befinden sich die Schalter für die Klimatisierung und eine induktive Ladeschale fürs Smartphone. Eine Stufe tiefer dann die Überraschung: eine waagerechte Schalterleiste für die Gangwahl (P, R, N, D). Durch dieses Layout konnte der vordere Teil der Mittelkonsole entfallen und es entsteht ein durchgehender Fußraum, ähnlich wie beim BMW i3. Vorteil: Man bekommt ein luftigeres Raumgefühl.

Motor

Der Elektromotor im neuen 500 sitzt vorne, leistet 87 Kilowatt und treibt die Vorderräder an. Fiat hat auch gleich die gesamte Leistungselektronik und den On-Board-Lader dort untergebracht.Obwohl der 500 meist nur in der Stadt unterwegs ist, haben ihm seine Entwickler dennoch einen Akku mit immerhin 42 kWh an Kapazität in den Boden gepackt. Die sollen nach WLTP-Zyklus einen Aktionsradius von 320 Kilometern ermöglichen. „Im reinen Stadtverkehr sind es sogar 458 Kilometer“, verspricht Elektrik-Chefingenieur Maurizio Salvia.

Geht es mal auf längere Tour und der 500 muss unterwegs an den Schnelllader, lässt das Lademanagement Gleichstrom bis zu 85 kW Leistung zu. Fünf Minuten Ladezeit sollen so rund 50 Kilometer an Reichweite bringen. Um von zehn auf 80 Prozent zu laden, gibt Fiat eine Zeit von 35 Minuten an. An einer 11-kW-AC-Säule, wie man sie entweder als Wallbox zu Hause hat oder an einer öffentlichen Station vorfindet, sind es rund 2,5 Stunden.

Antrieb

Es gibt derzeit kein Modell bei Fiat, das mit Elektronik so vollgestopft ist wie der kleine 500, egal, ob es um Konnektivität, Infotainment oder Assistenzsysteme geht. Möglich ist sogar teilautonomes Fahren auf Level 2. Zudem gibt ein 360-Grad-Kamerasystem, das zum Beispiel beim Parken ein Bild aufs Display schickt, als würde eine Drohne über dem Auto schweben.

Testbericht

Es war zu erwarten: Der neue Fiat 500 bringt einfach nur Spaß, auf jedem Kilometer. Die Federung ist komfortabel, das Geräuschniveau sehr niedrig, die Lenkung direkt, die Handlichkeit überzeugt und nicht zuletzt auch die Leistungsabgabe. Obwohl wir anfangs dachten, die 87 kW und 220 Newtonmeter des Elektromotors könnten für ein flottes Beschleunigen vielleicht zu wenig sein. Nein, der Kleine hängt mit seinen knapp 1.300 Kilogramm Gewicht gut am „Gas“.

Weniger Fahrfreude verspürt, wer auf den Spar-Modus „Sherpa“ umschaltet. Die Leistung wird auf 57 kW (78 PS) gedrosselt, elektrische Verbraucher ausgeschaltet und die Höchstgeschwindigkeit von 150 auf 80 km/h reduziert. Relevanz hat „Sherpa“ somit nur, falls mit fast leerer Batterie eine Ladesäule erreicht werden muss.

Besonderes

Ein gesundes Öko-Bewusstsein zeigt Fiat im Interieur. Für die – übrigens sehr schicken – Stoffsitze wird ausschließlich wiederaufbereiteter Plastikmüll aus dem Meer verwendet. Wer lieber Leder möchte, wird insofern enttäuscht, da Fiat auf die Verarbeitung von Tierprodukten verzichtet. Angeboten wird nur vegane Kunsthaut, die sich aber fast wie Leder anfühlt.

Fazit

La bella macchina. Mit dem neuen 500 ist Fiat ein großer Wurf gelungen. Tolles Design, viele Emotionen, gutes Konzept, moderne Konnektivität, klasse Fahreigenschaften und eine mehr als ausreichende Reichweite. Der Erfolg dürfte garantiert sein.

Derzeit kann nur die Version „la Prima“, eine Erstauflage als Cabriolet und als Limousine bestellt werden. Letztere startet bei 34.020 Euro, die offene Variante kostet 36.945 Euro. Ende Oktober werden die ersten Exemplare des neuen Fiat 500 zum Händler rollen. Dann soll auch eine Basisversion das Programm erweitern, die bei knapp unter 30.000 Euro beginnen dürfte.

Text: Michael Specht

Fato: Fiat