Allgemein

Honda ist spät dran, zumindest beim Thema Elektroantrieb. Die Japaner beantworteten die Frage, warum man neben aller Hybrid- und Wasserstoff-Brennstoffzellentechnik noch immer kein batterieelektrisches Modell im Portfolio habe, in den vergangenen Jahren stets mit: Die Zeit sei noch nicht reif dafür. Jetzt scheint sie es zu sein. Nach einer bildschönen Studie, die Honda 2017 als Urban EV präsentierte und die viel Lob dafür erhalten hatte, bringen der japanische Autobauer das nun Honda e genannte Serienmodell in den Handel.

Design

Es weicht optisch allerdings von der Studie etwas ab, erhielt zwei zusätzliche Türen und hat seine einst perfekten Proportionen etwas eingebüßt. Geblieben sind immerhin die runden Kulleraugen.

Der Honda e ist ein vom ersten Zeichenstrich an komplett auf Elektroantrieb konzipiertes Fahrzeug. Den Honda-Ingenieuren stand damit der gesamte Platz zwischen den Achsen zu Verfügung, die Batterie unterzubringen. Man entschied sich, dem 3,92 Meter langen Kleinwagen 35,5 kWh an Energieinhalt mit auf den Weg zu geben – aus Kostengründen. Zellen sind extrem teuer. Diese „Sparlösung“ schränkt jedoch die Reichweite ein. Obendrein verbraucht der Honda e mit 18 bis 20 kWh/100 km nicht gerade wenig. Dadurch ergibt sich eine Reichweite von 210 Kilometer. Honda sieht sein Elektromodell als „Antwort auf die Frage nach der Zukunft“ und begründet das Batterie-Package mit dem üblichen Nutzungsprofil eines Autofahrers. Für den überwiegenden Gebrauch in der Stadt reiche die Kapazität allemal aus, heißt es aus Japan. 40 bis 50 Kilometer sei der typische Tagesdurchschnitt.

Motor

Den Honda e wird es in zwei unterschiedlichen Leistungsstufen geben. Die Basis hat 100 kW, nach alter Rechnung 136 PS, was man gerade bei Elektromotoren aber noch weniger anwenden sollte als bei Verbrennungsmotoren. Die 100-kW-Version soll erst Ende des Jahres verfügbar sein. Starten wird Honda mit 113 kW (154 PS). Der permanent erregte Synchron-Motor sitzt im Heck und treibt die Hinterräder an. Ein Konzept also wie beim BMW i3.

Antrieb

Den absoluten Kracher liefert der Honda e im Interieur. Ein „Wow“-Gefühl schon beim Einsteigen. In dieser Fahrzeugklasse ein Display vorzufinden, das sich fast über die gesamte Breite der Armaturen spannt, das hat schon was. Genaugenommen stecken sogar drei Bildschirme hinter dem Riesen-Display, wovon zwei über Touch bedient werden können. Es dürfte zwar etwas dauern, bis man alle Menüs und Funktionen verstanden hat und bedienen kann, aber nach etwas Übung macht die Sache richtig Spaß. Moderner kann man derzeit in einem Kleinwagen nicht unterwegs sein. Android und Apple CarPlay sind koppelbar. Auch die Sprachbedienung funktioniert prima.

Sehr fortschrittlich zeigt sich der Honda e auch bei den Assistenzsystemen. Er kann autonom einparken, hat ein Kollisionswarnsystem, erkennt Fußgänger, hält die Fahrspur und den Abstand zum Vordermann, liest Verkehrszeichen, hat einen Fernlichtassistent und gibt ein Zeichen, wenn an der Ampel oder im Stau sich das Fahrzeug vor einem wieder in Bewegung setzt. Auch Parkrempler sollten der Vergangenheit angehören. Bei Schrittgeschwindigkeit bremst der Honda e automatisch ab, beispielsweise vor einer Wand oder einem Poller.

Was das Thema Lademanagement angeht, zeigt sich Honda etwas knauserig. Fürs Wechselstromladen ist nur ein einphasiger On-board-Charger vorhanden, er kann also selbst an einer 22-kW-Wallbox (oder öffentlichen Ladesäule) nur über eine Phase seinen Strom ziehen, in Deutschland im Maximum 4,6 kW. Damit braucht es acht bis neun Stunden, um die Batterie zu füllen. Wird lediglich die normale Haushaltssteckdose angezapft, dauert es sogar doppelt so lange. Andere Hersteller sind hier spendabler. Der Peugeot e-208 und auch der Mini Cooper SE beispielsweise haben serienmäßig ein dreiphasiges Ladegerät.

Testbericht

Auch wenn sich 113 kW zunächst nach wenig anhören, die Leistung reicht dicke aus, zumal der Elektromotor mit 315 Newtonmeter ein hohes Drehmoment generiert – und dies üblicherweise bereits aus dem Stand heraus. Der Honda e zieht kräftig und gleichzeitig geschmeidig los, sprintet in nur 4,8 Sekunden auf Tempo 60 und ist in weiteren 3,5 Sekunden auf 100 km/h. Zwei Modi stehen zur Auswahl: Normal und Sport. Bei Sport ist das Ansprechverhalten direkter.

Wichtiger als die Zahlenwerte dürfte dem Fahrer der Wohlfühl-Faktor sein. Hier haben die Interieur-Designer gute Arbeit geleistet, den Wagen ein bisschen nach Wohnzimmerart auf Gemütlichkeit getrimmt, mit angenehmen Stoffen und viel Holz (Imitat) am Armaturenbrett ausgestattet. Die Sitzposition hinter dem Lenkrad ist prima, das Volant lässt sich Höhe und Tiefe verstellen. Hinten allerdings wird’s eng, selbst wenn der Honda e nur für vier Personen zugelassen ist. Die Fondgäste haben wenig Beinfreiheit, es sei denn, Fahrer und Beifahrer rücken ihr Gestühl soweit es geht nach vorne.

Auch beim Thema Gepäck hatte Honda keine Topwerte im Visier. Nur 171 Liter, weniger als beim Smart, sind es bei aufgestellter Rücksitzlehne. Liegt diese flach, wächst das Volumen immerhin auf 861 Liter. Erschwerend hinzu kommt, dass die Lehne nicht geteilt klappbar ist, somit nicht zu dritt mit größerem Gepäck gefahren werden kann. Die Frage nach dem Warum beantwortet Honda mit: „Der Designer wollte den Lounge-Look beibehalten.“

Besonderes

Der Honda e verfügt als einziges Modell seines Segments über Spiegelkameras, und dies sogar serienmäßig. Sie werfen das Bild auf die beiden äußeren Displays am Armaturenbrett. Es bedarf nur einer kurzen Eingewöhnungszeit und funktioniert richtig prima. Man sieht sogar mehr als über die gewöhnlichen Außenspiegel. Erst recht bei Regen, wenn die Seitenscheiben nass oder verschmutzt sind.

Selbst der Innenspiegel liefert ein kamerabasiertes Bild, allerdings nur in der Top-Version. Wer lieber den klassischen Blick bevorzugt: Der Innenspiegel lässt sich umschalten.

Fazit

Wer den Preis des Honda e hört, schluckt erst einmal trocken. 33.850 Euro verlangen die Japaner für die Basisversion. 3.000 Euro zusätzlich sind es für die Advance-Variante, die immerhin einige Komfort- und Sicherheitsextras wie Parking Pilot und Lenkradheizung serienmäßig an Bord hat. Der hohe Preis dürfte somit das größte Handicap des Honda e sein. Es bleibt abzuwarten, ob der Kunde bereit ist, für den extravaganten Auftritt, für sein supercooles Armaturenbrett und für seine üppige Ausstattung inklusive der High-Tech-Kameraspiegel tiefer in die Tasche zu greifen als bei den Konkurrenzmodellen. Die haben alle mehr Reichweite.

Text:Michael Specht

Foto: Honda